Transformation Automobilindustrie – Chancen für ArbeitnehmerInnen

Heute poste ich die Pressemitteilung zum Online Austausch mit Beate Müller-Gemmeke, es ware ein interessanter Abend, der auch für mich noch neue Gesichtspunkte geliefert hat, z.B. zum Thema Arbeitsversicherung (nicht: Arbeitslosenversicherung!) oder prekäre Beschäftigte. Aber lest selbst J

Wie sieht die Zukunft der Automobil-Transformation für immerhin 22% aller Arbeitsplätze in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg aus? Zu diesem Thema lud Annette Reif, Bundestagskandidatin Bündnis 90 / Die Grünen für RW und TUT, gestern Abend Beate Müller-Gemmeke (MdB) zum Interview ein.  

Müller-Gemmeke ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages ist. Darüber hinaus ist sie ordentliches Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, im Petitionsausschuss, sowie Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen für ArbeitnehmerInnenrechte und aktive Arbeitsmarktpolitik. Also eine Expertin in ihrem Fach.

Hermann Polzer, Vorstandssprecher des Ortverband Spaichingen von Bündnis90/Die Grünen, begrüßte die interessierten Teilnehmer und merkte an, dass die Deutschen eine ganz besondere, emotionale Bindung zum Auto haben.

Das konnte Reif, Mitarbeiterin in einer Schlüsselposition bei einem weltweit agierenden, großen Automobilzulieferer, gerne bestätigen. Sie sieht die E-Mobilität als nächste Entwicklungsstufe, vor allem im ländlichen Raum, in welchem der Individualverkehr noch bestehen bleiben wird. Die Grünen wollen politisch die Weichen stellen, dass dies möglichst CO2-neutral stattfinden kann.

AR: Die Arbeitswelt von morgen ist von der Transformation und Digitalisierung geprägt. Worin siehst du die größten Herausforderungen, die sich daraus für Politik und Gesellschaft ergeben und welche Antworten haben wir auf diesen Strukturwandel?

BMG: Die Arbeitswelt Arbeit verändert sich stark, dadurch wird es eine Spaltung geben. Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit müssen vermieden werden. Wir dürfen niemand allein lassen. Das kann durch eine Qualifizierungs-Offensive und einen Arbeitsversicherung geschehen, die aktiv werden, solange die Menschen noch in der Beschäftigung sind.

AR: Die Wirtschaft muss klimaneutral werden. Stark betroffen davon sind die Automobilindustrie und ihre Zulieferfirmen. Wie schaffen wir es, dass die heimische Industrie im Strukturwandel stark bleibt und auch die Beschäftigten von diesem Strukturwandel profitieren?


BMG: Wir brauchen gute und verlässliche Rahmenbedingungen (Tarifverträge). Wir müssen die Industriepolitik mit vorausschauender Arbeitsmarktpolitik verbinden. Die bestehende Transfer-Kurzarbeit muss reformiert werden und eine Qualifizierungs-Kurzarbeit neu eingeführt werden. Ganz wichtig ist, dass wir Vertrauen schaffen, indem wir die Beschäftigten mitnehmen. D.h. Mitbestimmung bei der Verbesserung der klimaneutralen Produktion. Grundsätzlich müssen wir für „gute Arbeit“ sorgen – das nimmt Angst und Abstiegssorgen!

AR: Was meinst Du mit „gute Arbeit“? Wie beurteilst du grundsätzlich die Arbeitswelt – an welchen Stellen geht es ungerecht zu – wo gibt es Handlungsbedarf?

BMG: Kollektive Regelungen sind immer das Beste, allerdings haben wir jedoch das Problem, dass die  Tarifbindung sinkt und es weiße Flecken bei der Mitbestimmung durch einen Betriebsrat gibt. Wir müssen die Tarifbindung und die Mitbestimmung stärken. Zusätzlich müssen wir die aktuell prekären Arbeitsverhältnisse verbessern. D.h. im Niedriglohnbereich aktiv werden und soziale Leitplanken schaffen.

AR: Du sprichst von sozialen Leitplanken. Was konkret muss gesetzlich verändert werden – wo müssen die sozialen Leitplanken eingezogen werden.

BMG: Wir wollen den Mindestlohn von 9,50 € auf 12 € erhöhen. Sachgrundlose Befristungen abschaffen und  Minijobs dahingehend prüfen, ob beispielsweise durch flexiblere Arbeitszeiten nicht auch einen Teilzeit-Anstellung in Frage käme. Die Situation der Leiharbeit muss dahingehend verbessert werden, dass Leiharbeiter dasselbe verdienen, wie Festangestellte und befristet für die Abarbeitung von Spitzen eingesetzt werden. Und nicht als dauerhaft billigere Arbeitskräfte eingesetzt werden. Ebenso halten wir die  die Weiterführung des Pandemie Mindestkurzarbeitergeld für sinnvoll.

AR: Du setzt dich für Homeoffice und mobiles Arbeiten ein – welche Vorteile siehst du und gibt es wirklich nur Chancen? Nicht alle können aufgrund der Art der Tätigkeit im Homeoffice arbeiten. Braucht es da einen Ausgleich? Es darf nicht sein, dass sich die einen privilegiert fühlen und die anderen das Gefühl haben, dass die Politik sich nicht um sie kümmert. Gibt es dafür eine Lösung?

BMG: Homeoffice dient der Vereinbarkeit von Arbeit und Leben und steigert somit die Lebensqualität. Darüber hinaus macht es auch ökologisch Sinn, weil es nachweislich  gut für den Klimaschutz ist. Es sollte ein Recht auf Homeoffice geben, aber mit klaren Regeln, wie Freiwilligkeit, Rückkehrer-Recht, alternierend 2 Tage Office / 3 Tage Homeoffice, etc. Zeitsouveränität für alle durch mehr Flexibilität mit gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Für all diejenigen, die Ihren Job nicht im Homeoffice ausüben können, sollte einen Alternative angeboten werden. Z.B. Schichtbörsen = mehr Selbstbestimmung und Verantwortung, mehr Erholungszeiten und früheren Renteneintritt.

Alle Teilnehmer haben das spannende Interview verfolgt viele und neue Impulse mitgenommen. Ihre Fragen an die beiden Expertinnen wurden beantwortet und somit wurde ein informativer Themenabend nach knapp 90 Minuten beendet.

Schön, dass sich Beate die Zeit genommen hat die Einladung des OV Spaichingen anzunehmen, ich freu mich schon sie virtuell beim Parteitag wieder zu treffen.