Klimaneutrale Verbrennungsmotoren

Die Elektromobilität hat viele Vorteile – aber auch Nachteile im Alltag vieler Menschen: Lademöglichkeiten, Ladedauer, Anschaffungskosten und Invetitionen, Auslastung der Stromleitungen im Wohngebiet… Wenn es für viele Menschen in unserem Land aus diversen Gründen unmöglich erscheint, das bestehende klimaschädigende Verhalten zu ändern, können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden. Dies klappt nur, wenn alle mitmachen (können).

Klar ist, nicht jedes elektrische Fahrzeug braucht eine eigene Lademöglichkeit. Auch sollte in der Zukunft mehr Strecke im ÖPNV gemacht werden. In ländlichen Gegenden in Deutschland ist ein solches Szenario leider aber noch Zukunftsmusik; der Arbeitsweg lässt sich sehr oft leider nicht in praktikabler Weise mit dem ÖPNV bewältigen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln und Waren des Alltags ist im Wohnort oft nicht möglich weil keine Angebote mehr vorhanden sind.

Alternativen zur fossilen Fortbewegung – dringend notwendig und vorhanden

Ein „weiter so“ mit fossilen Treibstoffen ist im Hinblick auf den Klimawandel aber auch nicht vertretbar – der Wechsel zum klimaneutralen Verkehr muss schleunigst erfolgen. Wir brauchen dringend eine Alternative. Eine? Die ist doch da: Elektro! Aber reicht diese aus?
Viele verschiedene Beispiele zeigen, dass es nicht immer die beste Lösung wäre auf Elektromobilität zu setzen. Manchmal ist es auch widersinnig, wie im Fall des Schwerlastverkehrs auf Fernstrecken (1). Es werden auch weitere Möglichkeiten diskutiert, allen voran Wasserstoff, als Treibstoff für Verbrennungsmotoren oder für Brennstoffzellen. Eine sehr interessante Alternative, die sich aber einen Nachteil mit der Elektromobilität teilt: die (noch) fehlende Infrastruktur. Anfang Januar 2021 gibt es nach einer kurzen Websuche in Baden-Württemberg keine 20 Tankstellen.

Es gibt aber noch eine weitere Alternative zu Benzin und Diesel, die in der breiten Öffentlichkeit bisher recht wenig diskutiert wird: Die synthetischen Kraftstoffe (Synfuels, manchmal auch Refuel oder Sunfuel).

Synfuel – was ist das und was kann es?

Einfach gesprochen handelt es sich bei Synfuel um Flüssigkeiten, die durch chemische Synthesen aus Kohlendioxid (CO2) und Wasserstoff (H2) gebildet werden. Dabei werden die Kohlenstoffatome durch Zufuhr von Energie reduziert und der Brennwert der erzeugten chemischen Verbindungen erhöht. Sie werden also wieder in einen Zustand überführt, der es erlaubt, die in den Verbindungen gespeicherte chemische Energie zu nutzen – z.B. durch Verbrennung. Synfuels können daher zu den Technologiefeldern „Power-to-Gas“ bzw. „Power-to-Liquid“ gerechnet werden.

Abhängig davon, wie die chemischen Synthesen geführt werden, kann sehr genau gesteuert werden was gebildet wird. Ein Produkt solcher Reaktionen sind Oxymethylenether (OME). Forschungen haben gezeigt, dass heutige Dieselmotoren problemlos mit OME betrieben werden können und der Ausstoß von Stickoxiden und Ruß signifikant sinkt (2). Auch für Benziner gibt es Lösungsansätze. Und auch am Ersatz für das Kerosin der Flugzeuge wird gearbeitet – hier bei uns im Ländle in Heidenheim-Mergelstetten soll eine Versuchsanlage für den Stuttgarter Flughafen entstehen (3).

Synfuels können den CO2-Fußabdruck also signifikant senken – und das bei Nutzung bestehender Verkehrstechnologie und Infrastruktur. Ein klarer Vorteil gegenüber den anderen angesprochenen alternativen Treibstoffen. Auch bei dem Aspekt der Investitionskosten bestehen Pluspunkte. Es muss nur der neue Treibstoff getankt werden und kein neues Fahrzeug gekauft werden. Vermutlich sind es denn auch die Anschaffungskosten, warum aktuell in Baden-Württemberg für 48 % der Befragten die Anschaffung eines E-Autos nicht in Frage kommt (4). Durch Synfuels kann dagegen auch das uralte Auto von jetzt auf gleich klimaneutral betrieben werden. Und man könnte den Gedanken sogar noch weiter spinnen und an die Gebäudeenergie denken.

Zu gut um wahr zu sein?

Die Vorteile der Synfuels sprechen für sich. Es gibt aber auch Nachteile: Es braucht sogenannten grünen Wasserstoff. Momentan ist dieser noch eine Herausforderung, was auch die Preise der Synfuels anhebt. Der Energieaufwand zur Synthese dieser Kraftstoffe ist hoch und damit einhergehend der Wirkungsgrad bezogen auf die in den Kraftstoffen gespeicherte Energie begrenzt. Soll rein grüner Strom zur Wasserstoff-Gewinnung genutzt werden, trete der Synfuel-Prozess in Konkurrenz zu den anderen (nachhaltigen) Stromverbrauchern, insb. der Elektromobilität.

Stand heute eignen sich Synfuels damit nicht, um flächendeckend als Ersatz für Benzin, Diesel oder Kerosin fungieren zu können. Es muss aber auch nicht flächendeckend sein. Synfuels können spezifische (Nischen-)Lösungen sein, die es im Sinne der Klimaschonung zu nutzen gilt. Wenn in der Zukunft schließlich die tatsächlichen Klimakosten für fossile Energieträger wahrheitsgemäß eingepreist werden, sind Synfuels auch wirtschaftlich schnell konkurrenzfähig.

Quo vadis? Oder Wünsche an die Zukunft

Synfuels haben ihr Potenzial als Ersatz für konventionelle Kraftstoffe bereits bewiesen, aller Nachteile zum Trotz. Die Konkurrenz zwischen den Antriebsalternativen um die zur Verfügung stehende grüne Energie wird in Zukunft nicht das Problem sein. Unsere heutige Zeit erfordert Mobilität. Soll es so bei diesem Lebensstandard bleiben und klimaneutral werden, dann werden massiv Kapazitäten für grüne Energie und Wasserstoffgewinnung weiter ausgebaut. Da ist dann das notwendige Extra auch drin, Synfuels mit grünen Quellen erzeugen zu können.

Synfuels müssen daher in Zukunft bei allen Überlegungen zur Klimaneutralität offen und transparent diskutiert werden. Dass ab sofort synthetische Kraftstoffe mehr in den Fokus der Öffentlichkeit und der laufenden Diskussionen geraten. Damit diese chemisch-wissenschaftlich interessante Technologie keine Randerscheinung bleibt.

Gastbeitrag von Dr. Matthias Billigmeyer

Literaturverzeichnis

  1. (1)  Roland Losch, Oberleitung oder Wasserstoff, 2020, Schwäbische Zeitung/ Heuberger Bote, 30.12.2020,S. 7
  2. (2)  Timur Slapke, Moleküle für Motoren, 2019, VAA, Juni 2019, S. 8-15
  3. (3)  Deutsche Presse Agentur dpa, Testanlage für Kerosin aus Zement-CO2, 2020, SüdwestPresse / Die Neckarquelle Villingen-Schwenningen, 19.11.2020, S. 7
  4. (4)  Deutsche Presse Agentur dpa, Schlechte Straßen und mieser Nahverkehr nerven, 2020,Schwäbische Zeitung/ Heuberger Bote, 03.12.2020, S. 3