Wir haben Platz!

Wenn man morgens auf dem Weg zur Arbeit im Auto heult, dann ist das einfach ein schlechter Tag. Die Nachrichten aus Moria haben mich tief erschüttert. Ja, heute ist ein schlechter Tag für Deutschland und für die EU. 

Wir haben Platz! Das ist eine Tatsache. Erst gestern stand im Heuberger Boten, dass die Trossinger Flüchtlingsunterkunft in der Händelstraße Ende September geschlossen wird. Sie wird nicht mehr benötigt, da nur noch ca. 10 Geflüchtete jeden Monat dem Kreis zugeteilt werden. Bereits Anfang des Jahres hat eine „Koalition der Willigen“ sich bereit erklärt Flüchtlinge (damals ging es um unbegleitete minderjährige, sogenannte UMAs) aufzunehmen. Tuttlingen gehörte z.B. auch dazu. Die Abstimmung im Bundestag am 4.3.2020 zum Antrag zur Aufnahme besonders Schutzbedürftiger aus dem Mittelmeerraum und der Ermöglichung einer kommunalen Aufnahme wurde durch die Stimmen von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP abgelehnt. Städten, die dies trotzdem tun wollten, wurde dies durch das Innenministerium verweigert. Und jetzt ist das Flüchtlingslager Moria abgebrannt. Ein Lager das für 3000 Flüchtlinge ausgelegt war, in dem bis zu 20.000 Flüchtlinge untergebracht waren. Flüchtlinge? Menschen! Menschen wie Du und ich, die aber nicht in der glücklichen Lage waren in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt geboren zu werden. Und die darum beschlossen haben ihre Heimat zu verlassen. Mit welchem Recht kehren wir unseren Mitmenschen den Rücken zu? 

Dieser Brand war eine Katastrophe mit Ansage – seit Monaten tut die Bundesregierung nichts und verweist auf „eine europäische Lösung“, die es aber nicht gibt. Wir können nicht länger warten, niemand kann sich jetzt mehr rausreden. Darum appelliere ich an die Bundesregierung: Die griechischen Lager müssen evakuiert und die Menschen in Sicherheit gebracht werden. Lasst uns jetzt Geflüchtete aufnehmen! Den Appell könnt ihr hier mit unterschreiben https://www.gruene.de/aktionen/moria-jetzt-gefluechtete-aufnehmen

Zum Schluss noch ein Zitat aus dem neuen Buch von Harald Welzer (Alles könnte anders sein) das mir aus dem Herzen spricht: 

Was soll denn falsch daran sein, wenn jemand seine Lebensverhältnisse verbessern möchte und dafür sogar bereit ist, das Risiko auf sich zu nehmen, alles Gewohnte und Bekannte hinter sich zu lassen und irgendwo hin zu gehen, wo man ihn nicht kennt, seine Sprache nicht spricht, sich distanziert zu ihm verhält oder verächtlich oder abfällig und niederträchtig?Bei einer Lebensform, deren evolutionärer Erfolg im Wandern und im Erschließen neuer Überlebensräume bestand und die den längsten Teil ihrer Geschichte nomadisch unterwegs war, muss man schon viel künstliche Dummheit aktivieren, um ernsthaft einen Begriff wie „Wirtschaftsflüchtlinge“ zu gebrauchen. Mal ganz abgesehen davon, dass Migrantinnen und Migranten schon aufgrund der Tatsache, dass sie sich auf den Weg gemacht haben, mehr Autonomie, Initiative und Engagement bewiesen haben als die meisten nicht-migrierten Inhaber von gutbezahlten Bullshit-Jobs.